LA MIRANDE, AVIGNON, FRANKREICH

EINE OASE NEBEN DEM PABSTPALAST IN AVIGNON


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Miranda sitzt elegant und erhaben vor der Eingangstür und wirkt, als wolle sie sich noch genau überlegen, ob sie mich durch die grosse Glastür gehen lässt oder nicht.
Miranda ist NICHT die Katze des Hauses auch wenn der erste Eindruck dies vermittelt.
Martin Stein, der Besitzer vom HOTEL LA MIRANDE, erzählt, dass die Katze sich vor 2 Jahren dieses Haus ausgesucht hat und es hin und wieder als ihr Zuhause nutzt.  Offensichtlich hat sie noch weitere Adressen in Avignon, die sie aufsucht. Sie sieht bildschön aus mit ihrem edelgrauen Fell, ist gut genährt (das Hotel ist stets vorbereitet auf ihre Stippvisiten: in der Lobby stehen Futter -und Trinknapf gefüllt jederzeit bereit) und - sie hat faszinierende Augen. 
Ich hatte Glück - sie liess mich rein, folgte mir auf dem Fusse und legte sich in der Lobby gleich lang hin in eindeutiger Pose, bitteschön umgehend gestreichelt zu werden. 

Für eine Tierliebhaberin wie ich es bin schon direkt der erste Bonuspunkt für dieses Haus mit spektakulärer Lage direkt neben den hohen Mauern des Papstpalasts. 
Die Stadt der 7 Päpste und der 2 Gegenpäpste! Die machten aus diesem Städtchen vor über 700 Jahren ein Stückchen Italien in Südfrankreich.
Und das LA MIRANDE war seit 1309 Kardinalssitz mit unterirdischen Gängen zum Palast und - ins Stadtinnere, für den Fall, das der Kardinal oder auch mal einer der Päpste incognito verschwinden wollte... 
Italien trifft Frankreich trifft Grossbritannien. So könnte man den Einrichtungsstil spontan beschreiben. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man die zahlreichen Details mit kunsthistorischen Referenzen,  ob bei den Wandbespannungen, Leuchtern, antiken Kommoden,Vorhängen oder Armaturen.

Es wäre nicht passend, Martin Stein „Hotelier“ zu nennen. Auch „Hotelbesitzer“ beschreibt nicht, bei wem wir hier zu Gast sind.  Er sieht eher aus wie ein Literat, ein Kurator eines Museums oder ein Architekturprofessor. Man könnte auch denken, er sei ein Musiker oder ein Maler.

Ist er alles nicht und ist es doch.
Als er als junger Mann gemeinsam mit seinen Eltern Achim und Hannelore dieses Haus für sich entdeckte war er gerade fertig mit seinem Medizinstudium, kam aus Siena in die Provence und machte in Avignon nach 3 jähriger Sanierungsarbeit aus dem ehemaligen Kardinalssitz mit bewegter Geschichte einen Ort der Ästhetik und der gediegenen Lebensart. 
Die Eröffnung des LA MIRANDE liegt fast 30 Jahre zurück und ich gewinne den Eindruck, Martin Stein sitzt in seinem persönlichen, wahr gewordenen Lebenstraum. Er hat sein gebündeltes Wissen bei zahlreichen Renovierungs - und Einrichtungsarbeiten verfeinert und die gesamte Ausstattung und Einrichtung nach seinem Geschmack verwirklichen können - in Absprache mit den Eltern (der Vater war Bauunternehmer) und gemeinsam mit Handwerkern aus Avignon direkt, aus der Provence und aus Italien.

In allen Bädern der 20 Zimmer im Hauptgebäude wurde feinster Carrara-Marmor nach Mass verarbeitet, die Armaturen kommen allesamt von einem Hersteller aus England und sind im Edwardian-Stil der „good old times“ vernickelt, Lampenschirme und Wandbespannungen wurden extra angefertigt, Tapeten nach historischen Vorlagen nachgemalt und noch heute sucht Herr Stein Flohmärkte und Antikläden auf, immer auf der Suche nach Unikaten, die eventuell noch besser in Zimmer 20 oder 38 passen könnten. Keines der Zimmer ähnelt dem anderen und man ist gut beraten, sich alle entweder im Internet oder direkt vor Ort anzusehen, um sein individuelles Lieblingszimmer zu finden.

Trotz all dieser Werte und Schätze kommt man sich weder vor wie in einem Museum noch verschwinden antike Dinge. Das lässt die Vermutung zu, dass jeder Gast ehrfürchtig und bewundernd erkennt, dass der Hausherr hier die allerhöchsten Ansprüche umgesetzt hat. Ein Privatpalais voller Eleganz und Schönheit.

Kerzenlicht taucht die gemütliche Bar in eine Atmosphäre des Stanley Kubrick Films „Barry Lyndon“, im Salle à manger lockt ein Plat du Jour, der Fisch der Tages oder Vegetarisches aus der Region, begleitet von den besten Weinen aus dem Rhône-Tal.


Sternekoch Florent Pietravalle beweist im holzgetäfelten Restaurant nebenan, dass er den Michelinstern mehr als verdient erkocht hat und im Keller zaubern Alex, Jeff und Somelière Anne-Laure in einer historischen Küche auf einem Herd aus dem 19. Jahrhundert - auf dem noch mit Holz gekocht wird - saisonale Köstlichkeiten. 
Eine Reise wert allein wäre das Frühstück im La Mirande! Diverse selbstgemachte Kompotte z. B. aus Quitten aus dem hauseigenen Garten, alle Marmeladen und Gelees sind selbstredend aus der eigenen Küche. 
 Das œuf à la coque lag eben noch im Hühnerstall und sollte als 4 Minuten Ei bestellt werden!
Frischer geht’s nicht - Ein Gedicht!



Das sein Schwager hier vor vielen Jahren eine Kochschule ins Lebens rief, die mehr als gut gebucht wird, dass der Weinkeller absolute Raritäten birgt, dass der Ästhet Stein in seinem Haus regelmässig klassische Konzerte veranstaltet und zeitgenössische Künstler aus Avignon und Umgebung Kunstwerke hier ausstellen lässt, überrascht mich keineswegs. Passt! Und wie!

Und dass die edle Katze MIRANDA - wenn sie dann mal wieder in „ihrem“ Palais weilt - auf dem schönsten Sessel im Vorraum zum Garten vor der Wand mit den Chinoiserien liegt und so tut als wolle sie sagen „Was willst DU denn hier“, überrascht mich nach 4 Tagen in diesem Unikat-Hotel auch nicht mehr!

Ich kann es ihr nicht verdenken und weiss, meine erste Frage bei meinem nächsten Besuch wird sein „Wie geht es Miranda“? Die „Seele“ des Hauses - Directeur Francis Lacoste - wird es mir sicher sofort verraten können!

Und ausserdem muss ich unbedingt die dann neu eröffnete Eisdiele im Nebengebäude testen. Die schenkt sich Monsieur Stein zum 30jährigen Jubiläum im Jahr 2020 selbst, natürlich ausgestattet mit Carrara Marmor und ca 16 Eissorten im Angebot - täglich frisch gemacht vom Chefkoch Jeff!
Vielleicht bring ich MIRANDA eine Kugel Pistazieneis mit… on verra!

www. la-mirande. fr
4 Place de la Mirande, Avignon, Telefon : +33-490142020

© Ingrid Roosen-Trinks
Februar 2020

Ingrid Roosen-Trinks hat im November 2019 vier Nächte im Hotel La Mirande als Selbstzahler übernachtet. Wie alle unsere Autoren lässt sich niemand einladen sondern zahlt jeden Aufenthalt privat.